Die Sportwissenschaftler jagen sich hier ständig mit neuen Studien und Gegenstudien. Ohne jeden (wissenschaftlichen) Zweifel ist (richtige!) Dehnung für einen gesunden Muskel nicht schädlich, ganz im Gegenteil und sorgt dafür, dass die Muskeln und Sehnenapparat nicht verkürzen.

Im Alltag wird der maximale Bewegungsradius selten ausgeschöpft. Das häufige Sitzen, die kleinen monotonen Bewegungen, sowie ein Mangel an Bewegungsfreiheit in modischen, engen Schuhen führen auf Dauer zu Beweglichkeitseinschränkungen. Als Ausgleich zu den "verarmten" Bewegungsanforderungen sind Dehnreize jedoch unverzichtbar, sie wirken den negativen Bewegungsmustern entgegen, aktivieren den Stoffwechsel in allen Strukturen und dienen als Grundlage für die körperliche Leistungsfähigkeit.

Auswirkungen des Dehnens:

  • Verspannungen lösen sich, der Stoffwechsel wird erhöht,
  • das allgemeine Wohlbefinden wird gesteigert,
  • Dysbalancen werden ausgeglichen, der Muskeltonus (=die Grundspannung der Haltemuskulatur) wird normalisiert,
  • Muskelverkürzungen werden vorgebeugt,
  • die Regenerationsfähigkeit des Muskels wird durch eine verbesserte Durchblutung erhöht,
  • das Verletzungsrisiko des Muskels wird gemindert,
  • durch die gesteigerte Beweglichkeit und Geschmeidigkeit des Muskels wird das Körperbewusstsein erheblich geschult und verbessert,
  • altersbedingte Beweglichkeitseinschränkungen werden langfristig vorgebeugt,
  • die Bewegungsreichweite der Muskulatur wird erhöht...

Aufbau der Muskeln, Entstehen der Dehnung

Muskeln bestehen aus einzelnen Muskelfaserbündeln, diese wiederum aus einzelnen Muskelfasern. Der wichtigste Bestandteil einer Muskelfaser sind die Myofibrillen bestehend aus den Sarkomeren - Ansammlungen von Myosin-, Actin- und Titinfilamenten, den kleinsten funktionellen Bestandteilen eines Muskels. Hier finden Kontraktion und Dehnung eigentlich statt; die Synapsen machen dem Muskel die elektrischen Impulse, die vom Gehirn gesendet werden, durch das Ausschütten von chemischen Substanzen (Neurotransmitter) verständlich und lassen ihn sich zusammenziehen oder entspannen. Die Filamente ziehen sich bei Kontraktion ineinander. Erfährt der Muskel eine Dehnung, wird er auseinander gezogen.

Über Agonisten und Antagonisten, aktive Beweglichkeit

Im Grunde genommen ist jede Bewegung, die ein Organismus durchführt, nichts anderes als ein immer fortdauerndes Wechselspiel zwischen einem Agonisten (dem sich zusammenziehenden Muskel) und dem Antagonisten (dem sich fügenden/gedehnten Muske). Wenn wir unseren Arm ausstrecken, zieht sich der Trizeps zusammen und der Bizeps gibt nach; wenn wir den Arm beugen, zieht sich der Bizeps zusammen und der Trizeps gibt wiederum nach; wenn wir uns nach vorne beugen, zieht sich die Bauchmuskulatur zusammen und die gesamte Rückenmuskulatur streckt sich, besser formuliert, sie wird gestreckt. Die Fähigkeit des Muskels sich durch Kontraktion seines Gegenspielers auseinander zu ziehen, wird als aktive Beweglichkeit (Eigendehnung) bezeichnet. Ein Muskel kann sich nicht von selbst auseinander ziehen. Es kann immer nur von "gedehnt werden" die Rede sein. Es gibt daher nur noch eine weitere Möglichkeit, einen Muskel zu dehnen und zwar durch äußere Einwirkung, z.B. mit Hilfe eines Trainingspartners. Die Fähigkeit eines Muskels, sich durch äußere Einwirkung auseinander ziehen zu lassen, wird daher als passive Beweglichkeit (Fremddehnung) bezeichnet.

Über die Muskelspindeln

Es kommt also ausnahmslos bei jeder Bewegung zu einer Dehnung; sie wird nur nicht als solche empfunden, da der beanspruchte Muskel derlei Bewegungen von klein auf gewohnt ist und daher nicht außergewöhnlich belastet wird. Dehnung wird erst empfunden, wenn die Bewegung über das Natürliche/das Gewohnte hinausgeht. Dann stoßen wir auf Widerstand; Jeder Sportler, der Dehnung nicht halbherzig ausübt oder nicht aus Veranlagung heraus nahezu unmenschlich beweglich ist, kennt das Gefühl, dass der beanspruchte Muskel sich förmlich gegen die Dehnung zu wehren scheint. Verantwortlich hierfür sind die Muskelspindeln. Sie sind mit dem intermuskulären Bindegewebe verbunden, messen die Muskellänge und die Intensität des Zuges, der auf den Muskel ausgeübt wird. Die Muskelspindeln bestehen aus den Kernkettenfasern, die die statische Längenänderung eines Muskels erfassen und den Kernsackfasern, die auf dynamische Dehnung reagieren. Bei zu starker bzw. zu abrupter Dehnung veranlassen die Muskelspindeln per Nervenimpulse über das Gehirn eine sofortige Kontraktion des betroffenen Muskels. Erst wenn die Muskelspindeln bemerken, dass für den Muskel keine Gefahr besteht, entspannen sie ihn wieder.

Genau umgekehrt verhält es sich übrigens mit den Sehnenspindeln; sie liegen im Übergangsbereich zu den Sehnen. Die Sehnenspindeln messen die Muskelkontraktion und schützen die Muskel-Sehnen-Übergänge vor einer zu starken Muskelspannung, indem sie den Muskel schlagartig erschlaffen lassen.

Ehe der Muskel überhaupt ordentlich gedehnt werden kann, muss also erst eine Gewöhnung an die Dehnungsspannung stattgefunden haben. Die meist verbreitete (und für mich am meisten nachvollziehbare) Theorie hierüber ist, dass dies ein Schutzmechanismus ist, der Zerrungen und Rissen vorbeugen soll - ein Schutzmechanismus, den Jeder schon im Alltag kennen gelernt hat, wenn auch nur unbewusst. Denn alleine den Muskelspindeln haben wir es zu verdanken, dass wir, wenn wir ungewollt einnicken, nicht mit dem Kopf auf die Tischplatte knallen. Im selben Augenblick registrieren nämlich die Spindeln den plötzlichen Zug in der Nackenmuskulatur und lassen sie sich blitzschnell wieder zusammenziehen.

Entspannung, Ruhe und Konzentration

Die Konzentration und Entspannung einzelner Techniken verbinden nun im Training Geist und Seele zu einer Einheit, einem Ganzen. "Nur aus Entspannung kann eine Spannung resultieren" ist eine häufig gehörte Weisheit, die in diesem Sinne hinsichtlich der Dehnung Anwendung findet. Denn wenn ein Muskel angespannt (im Sinne von kontrahiert) ist, kann er logischerweise nicht ohne große Mühe auseinander gezogen werden. Das Lockern ist eine gute aber jedoch nur rein körperliche Methode, die eine Entspannung der Muskeln bewirkt.

Die Atmung ist das, was Körper und Geist nachweislich miteinander verbindet. Daher ist eine richtige Atmung unerlässlich, um die Körpermuskulatur auf das vorzubereiten, was mit ihr geschehen wird. Es empfiehlt sich zu diesem Zweck ruhig und gleichmäßig zu atmen. Man sollte sich des Weiteren auf nichts außer auf den gedehnten Muskel konzentrieren, fühlen, wie er sich auseinander zieht und erkennen, wann der Dehnreflex einsetzt - und das ganz im Sinne von "das, was du tust, das tue ganz".

Überlege dir einfach, was mit deinem Körper, mit deiner Körperhaltung, mit deinem Wohlbefinden passiert, wenn du deine Beweglichkeit und Geschmeidigkeit vernachlässigst. Die Muskulatur wird sehr stark verkürzt. Du wirst irgendwann nicht mal mehr die Arme in einer Ebene ausstrecken können.

Bei mir im Stretch-Kurs werden alte Bewegungsmuster aufgebrochen und neue Bewegungsmuster werden erlernt. Dabei stehen Technik und Selbstbeobachtung im Vordergrund.

Ich hoffe, dir ist jetzt bewusst, warum ich dir meinen Stretch-Kurs wärmstens empfehle. Freue mich auf dich!

Deine Nadja

(Quelle: "Stretching und Beweglichkeit" von K. Albrecht und S. Meyer; "Leitfaden Physiotherapie" von Gisela Ebelt-Paprotny; "Zur Problematik des Dehnens in der Gymnastik" von A. Klee und K. Wiemann)

Noch keine Kommentare bis jetzt.

Einen Kommentar schreiben